Bickenbach ist ein Bestandteil der oberrheinischen Kulturlandschaft Bergstraße, die als "Deutscher Süden" mannigfaltige literarische Lobpreisungen erfuhr. Der Bickenbacher Pfarrer Johann Andreas Kayser nennt sie Mitte des 18. Jahrhunderts "Gerettetes Eden" und "Bergstraß, einzig Paradies"; Johanna Schopenhauer, die Mutter des berühmten Philosophen, bezeichnet sie 1816 als "Garten von Deutschland", als "Land der Fülle und des reichsten Segens der Natur".
Die Siedlungsspuren weisen bis weit in die prähistorischen Zeiten zurück. Von dem hier ansässigen Volk der Kelten stammen die Fluss- und Landschaftsbezeichnungen. Sie nannten den Bickenbacher Hausberg "Malschen" (heute Melibokus als höchste Erhebung der Nördlichen Bergstraße, 514 m).
Weitere Jahrhunderte wurden von der römischen Zivilisation geprägt. Die Zeiten der "Agri decumates" von 70 bis 251 n.Chr., als vom Limes geschützte Provinz des römischen Weltreiches, hinterließen nachhaltige Spuren. Das archäologische Singularium der Sumpfbrücke in der Bickenbacher Gemarkung "Schifflache" ist als Beispiel zu benennen.
Wechselnde Konstellationen aus der Völkerwanderungszeit ließen unser Gebiet nicht unberührt. Die Burgunder begründeten ein Herrschaftsgebiet um ihre Stadt Worms. Ob der aus dem Nibelungen-Epos berühmte Siegfried Bickenbacher Territorium streifte, ist ungewiss.
Historisch gesichert ist, ausweislich der Urkundensammlung des Lorscher Codex, die erste schriftliche Erwähnung Bickenbachs vom 4. Mai 874. Im Zuge der fränkischen Landnahme hat wohl ein Gefolgsmann Karls des Großen namens Bico hier Besitz ergriffen und dem Ort seinen Namen verliehen.
Für die nächsten Jahrhunderte ist die Geschichte der Ansiedlung sehr eng mit dem mächtigen Reichskloster Lorsch verwoben. Ursprünglich Verwaltungsbeamte von Lorsch, emanzipierten sich seit ca. 950 n.Chr. die "Edelherren von Bickenbach" zu einem höchst reputierlichen mittelalterlichen Adelsgeschlecht, das überregionale Verdienste erwarb. Es erlosch 1486.
Die Herrschaftsverhältnisse wechselten: von der Pfalzgrafschaft zu den linksrheinischen Herren von Venningen bis zu den odenwäldischen Grafen von Erbach (seit 1556). Auch diese konnten ihr 400-Seelen-Dorf vor den Fährnissen des Dreißigjährigen Krieges nicht schützen. Der Himmelsfahrtstag des Jahres 1622 sollte eine der größten Heimsuchungen in der Geschichte der Gemeinde werden, 90 % der Einwohner wurden Opfer der kriegerischen Greuel, selbst der Pfarrer fiel. Sein Nachfolger David Stumpf hinterließ Schreckensdarstellungen über die später zur Zwingenberger Bergkirche geflüchtete Bevölkerung.
Dennoch war der Aufbauwille ungebrochen. Der Bickenbacher Bürgermeister Hans Quick begründete 1632 eine Stiftung für Schule und Arme, die ihn zum Namenspatron der heutigen Grundschule werden ließ.
Am 31.12.1714 verkauften die Erbacher Grafen ihr "Juwel" an der Bergstraße an den Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt. Dieser erbaute die 1720 fertiggestellte Jagdschlossanlage als Ausgangspunkt für die in höfischen Kreisen zur Mode gewordenen Parforcejagden des 18. Jahrhunderts, hauptsächlich in der "Eberstädte Tanne" und im Jägersburger Revier.
Zu dieser Zeit entwickelte sich der auf Hof Hartenau geborene Johann Christian Breithaupt als Geodät und als Begründer einer heute noch in Kassel ansässigen namhaften Firma für Landvermessungstechnik zu einem der berühmten Söhne der Gemeinde.
Der Ort - seit Beginn des 19. Jahrhunderts großherzoglich-hessische Landgemeinde - hatte schwer an den Hypotheken der jüngeren deutschen Geschichte zu tragen. Lange Zeit beschwerten die Einquartierungskosten aus den Napoleonischen Kriegen (1813: 888 Offiziere, 30.457 Soldatennächte, 12.303 Pferde) den Gemeindehaushalt. Gravierend wurden die Armutsverhältnisse, "Pauperismus" genannt, denen sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Bickenbacherinnen und Bickerbacher durch Auswanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika entzogen.
Die aus dem Lorscher Raum ausstrahlende tabakverarbeitende Industrie konnte teilweise die ökonomische Misere auffangen.
Wirtschaftlich entscheidend war der ab 1846/48 erfolgte
Anschluss der Gemeinde an die Eisenbahn. Bickenbach entwickelte
sich zum Eisenbahnerwohnort. 1936 waren über 56 % der hiesigen
Bevölkerung bei der damaligen Reichsbahn beschäftigt.
In den Jahren ab 1945 waren rund 600 Heimatvertriebene und Flüchtlinge, vornehmlich aus dem Sudetenland, aufzunehmen. Diese Mitbürgerinnen und Mitbürger haben das Antlitz und das Wesen des Ortes mitgeprägt.
Bickenbach hat sich den Wandlungsprozessen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verschlossen - sowohl im Positiven als auch im Negativen. Wichtig und richtig war die Entscheidung, die Gemeinde 1968 in das Dorferneuerungsprogramm des Landes Hessen einzubeziehen. Das was ortsbildprägend war, konnte erhalten und bewahrt werden.
Die Räson der Gemeinde bestand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einer behut- und sachtsamen, nicht hurtig übereilten Anpassung ihrer kommunalen Infrastrukturen an die neuen Gegebenheiten. Dadurch konnte das moderne Bickenbach seinen hohen Standort hinsichtlich Wohn- und Lebensqualität inmitten des Rhein-Main-Neckar-Raumes und am Fuße des geschichtsmächtigen Melibokus wahren.
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